Ich habe etwas gefunden: Einen Brief an meinen Vater, den ich bereits vor 12 Jahren geschrieben habe und in meinen Unterlagen hatte. Ich habe ihn noch einmal gelesen - und würde immer noch jeden Satz unterschreiben, den ich damals geschrieben habe.
Deshalb veröffentliche ich diesen Brief an dieser Stelle. Ich habe lediglich die Jahreszahl verändert - denn mittlerweile ist der Tod meines Vaters über 25 Jahre her!
Deshalb veröffentliche ich diesen Brief an dieser Stelle. Ich habe lediglich die Jahreszahl verändert - denn mittlerweile ist der Tod meines Vaters über 25 Jahre her!
Lieber Vati,
ich möchte dir gerne "Danke"
sagen. Du würdest mich sicher fragen, wofür. Wenn du noch da
wärest. Doch Gott hat dich bereits vor mehr als 25 Jahren zu sich
genommen. Du warst nach menschlichem Ermessen viel zu jung für
diesen Abschied für immer. Und ich damals zu sehr mit mir selbst
beschäftigt, um mich irgendwo mitten im Alltag bei dir zu bedanken.
Wofür ich dir danken möchte?
Da war dein Glaube, diese tiefe
Verbundenheit zu Gott, die Freundschaft zu Jesus. Du hast diese dir
über alles wichtige Beziehung authentisch gelebt und warst mir darin
ein Vorbild. Nicht nur Worte machten das deutlich, sondern deine
ganze Haltung, dein Leben, mit dem du hinter dem gestanden hast, was
du sagtest, wie du gehandelt hast. Das hat auf mich nie künstlich
gewirkt, sondern sehr echt. Danke.
Dazu kam deine liebevolle Art, mit mir
als "deinem kleinen Mädchen" umzugehen; ich spüre fast
noch deine Hände, die mir über die Haare strichen und höre dein
zärtliches, etwas langgezogenes und un-eiliges "Binlein..!"
Deine Großzügigkeit: Ich erinnere mich an mein erstes
Schmuckstück, das ich von dir bekam. Nun war ich "groß".
(Später erfuhr ich, dass es fürchterlich teuer gewesen ist. Aber
ich hatte diesen Ring unbedingt haben wollen...) Als ich älter
wurde, habe ich oft sehr genau überlegt, ob ich dich um etwas
Materielles bitte, denn ich wusste, dass du versuchen wirst, alles
möglich zu machen, auch wenn es dir finanziell schwer fällt.
Ich wusste, dass ich jederzeit mit
allem, was mich betraf an Sorgen oder Freuden, zu dir kommen konnte.
Du hast immer zugehört, auch wenn du eigentlich keine Zeit hattest.
Manchmal sah ich, wie du gewartet hast, dass ich komme. Du hast dann
in deinem Seesel gesessen und zu mir herüber geschaut, als wolltest
du sagen: „Ist irgendwas? Dann komm doch einfach!“ Ich habe diese
Chance viel zu selten genutzt. Ich glaube, mir waren meist deine
Erklärungen zu lang. Ich war viel zu ungeduldig.
Die Art und Weise, wie du unsere Mutter
geliebt hast, hat mir für meine spätere Partnerschaft sehr viel
bedeutet. Ich sah deine Achtung vor der Weiblichkeit deiner Frau und
später auch vor der meinen. Das hat mein Bild von mir als Frau,
meine Identität, nachhaltig geprägt. Ich konnte spüren, dass du
die Ehe als etwas dir von Gott Anvertrautes erlebtest. Du hast es
verstanden, Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten, die ihr (das nehme
ich einfach mal an) auch miteinander hattet, nicht vor uns Kindern
auszutragen. Ihr habt die Dinge irgendwie allein wieder in Ordnung
gebracht, ohne uns damit zu belasten und zu überfordern. Danke!
Deine Familie war dir zu jeder Zeit
wichtig. Das glaube ich auch von der Zeit zu erinnern, in der du
beruflich überbeansprucht gewesen bist. Du hattest zeitweise zwei
Jobs, weil das Geld nicht reichte. Und doch hast du, anstatt deine
wohlverdiente Ruhe einzufordern, dich nach Arbeitsschluss auch noch
uns Kindern gewidmet. Manchmal bist du dann mitten im
Gesellschaftsspiel eingeschlafen...
Du warst es, der uns jeden Morgen (bis
zum Abitur) das Frühstück zurecht machte, weil Mutti kein
Frühaufsteher war. Danke!
Ein Powermann bist du nie gewesen.
Heute, aus dem Abstand, denke ich manchmal, dass du oft überfordert
gewesen sein musst. Denn du hast nicht nur in der Familie und im
Beruf alles gegeben, sondern auch in der Gemeinde. Jeder wusste, dass
er sich auf dich verlassen konnte. Du warst einfach da, auch wenn
alle anderen einen Vorwand hatten, nicht zu erscheinen.
Mutti hat sich manchmal etwas genervt
über deine perfektionistische Ader geäußert. Was du anpacktest,
wolltest du "richtig" tun. Und warst dir selber oft nicht
gut genug.
Ich würde dir heute gern sagen, dass
du es "gut gemacht" hast. Sehr gut sogar. Denn was hat ein
Vater Besseres weiterzugeben als seine bedingungslose Liebe, die
nichts einfordert und nur gibt?
Heute würde ich gerne von dir wissen
wollen, ob du selbst nicht manchmal dabei etwas zu kurz gekommen
bist. Hast du es mit uns, mit mir, auch genossen? Ich denke, du
würdest "Ganz bestimmt!" sagen, auch wenn du dich mit
eigenem Genuss manchmal etwas schwer tatest.
Danken möchte ich dir auch für unser
letztes gemeinsames Erlebnis, für unseren letzten gemeinsamen
Urlaub. Ich glaube, du warst nach dem Tod von Mutti entsetzlich
einsam. Doch du bemühtest dich, mit uns und unseren damals 5 Kindern
eine fröhliche Zeit zu verbringen. Du hast mit deinen Enkeln getobt,
gebadet, Fußball gespielt... Du hast ihnen am Lagerfeuer oder im
Schein von flackernden Kerzen in gedämpften Ton spannende
Geschichten erzählt... Du hast den Trubel und das Kinder-Chaos
geduldig ertragen, all das, obwohl der Tod deiner Frau gerade erst
drei Monate her gewesen ist...
Dennoch und bei allem positiven Wollen
und nach vorne Sehen bist du dann ziemlich genau ein Jahr nach ihrem
Tod ebenfalls gegangen – einfach eingeschlafen und nicht wieder
aufgewacht.
Mit 63 Jahren. Viel zu früh für mich.
Wohl gerade richtig für dich.
Danke, Vati, du bist mir bis heute ein
Vorbild im Glauben. Und ein Hinweis auf Gott, meinen Vater im Himmel.
Deine Tochter Sabine
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