Freitag, 22. Juni 2018

Odyssee durch Chicago



Beim Stöbern in meinen alten Tagebüchern bin ich über eine Geschichte gestolpert, die sich so tatsächlich zugetragen hat und kaum überzeichnet ist :-)
Es war in 2001, als wir mit einigen Frauen zunächst in Texas, dann im Bundesstaat Illinois miteinander unterwegs waren...

Frauenpower

Mit 16 Frauen aus Deutschland halten wir uns 4 Tage in und um Chicago auf. Um flexibel zu sein, benutzen wir drei Mini-Vans von der besten Sorte. Die Starbesetzung unseres Autos ist Gretel oder Gabriele als Fahrerin, dazu Regina, Carola und ich. Letztere drei können zwar wunderbare, aber nicht durchzuführende Tipps geben und sind auch im Großen und Ganzen froh, dass sie das Auto nicht zu lenken brauchen. Denn das ist nicht so einfach, wie sich bald herausstellt.
Bereits die ersten Versuche von Gabriele hinterlassen bei den Mitfahrern das Gefühl, dass sie das zum ersten Mal macht. Doch - wie wir später besser wissen - es liegt eindeutig an dieser amerikanischen Luxusausgabe unseres Transportmittels.

Doch kommen wir zu unserer ersten großen Odyssee...
Am Sonntag nach zwei Veranstaltungen in der "Willow Creek Community Church" verabreden wir, uns bis 14.15 Uhr im WCCC aufzuhalten und dann noch gemeinsam eine Mall aufzusuchen, die in Amerika auch sonntags geöffnet hat. Doch bereits um 13.45 Uhr wollen dann die meisten schon aufbrechen. 
Nochmal zurück ins Hotel, sich umziehen, Pipi machen... wie das so ist bei Frauen...

Die anderen beiden Autos haben ihre Teams zusammen und fahren ab. Unsere Starbesetzung muss allerdings erst noch auf Gretel warten. Sie ist in dem riesigen Kongress-Zentrum verschwunden - was ihr gutes Recht ist, denn vor 14.15 Uhr sollte ja kein Aufbruch geschehen. Die halbe Stunde bis 14.15 Uhr versuchen wir, sie dennoch aufzustöbern. Ich renne durch das ganze Kongress-Zentrum einschließlich der "Chapell", einer kleineren Kirche am Ende des großen Gebäudes, doch ohne Erfolg. 
Gretel ist weg. Die WCCC-Mitarbeiter machen langsam Feierabend, es sind nur noch wenige Mitarbeiter da. Die wenigen letzten Besucher sind ebenfalls überschaubar geworden. Einige nehmen noch an Tischen ihren Lunch ein.

Es wird 14.00 Uhr. Gretel ist immer noch weg. Ein freundlicher Mitarbeiter versucht uns zu helfen. Irgendwie verstehen wir ihn schlecht, er hat einen komischen Akzent. Oder wir können nicht gut genug englisch. Vergebliche Mühe also.
Um 14.20 Uhr läuft Carola aus dem Gebäude raus, nachgucken, ob Gretel vielleicht am Auto auf uns wartet. Sie kommen tatsächlich zusammen zurück. Gretel hatte vergeblich versucht zu telefonieren und dann noch ein bisschen die Sonne genossen - mit gutem Gewissen, denn sie hatte verstanden, dass wir uns gegen 14.30 Uhr treffen. Okay, wir gehen zum Auto.

5 Frauen steigen ein.
Gretel startet. Tja, und dann geht nichts. Der Gang lässt sich nicht schalten (Bei Automatik heißt das wohl gar nicht Gang!?) Verschiedene Versuche mit Ein- und Ausschalten führen nicht zum Erfolg.
Es ist mittlerweile 14.45 Uhr. Die anderen sind seit einer Stunde weg. Hoffentlich macht sich niemand Sorgen. Von uns kennt sich niemand mit diesem neuen Automatik-Wagen aus. 
Er hat tausend Funktionen und Knöpfe. Mit vereinten Kräften versuchen wir alles, was in unseren Möglichkeiten liegt, drücken jeden Knopf, entdecken wahre Wunder der Technik: Fenster und Türen öffnen und schließen sich vollautomatisch, Türen verriegeln sich selbsttätig und lassen sich nicht ohne weiteres wieder öffnen, Scheibenwischer vorne und hinten lassen sich auch nicht mehr abstellen, und wenn man dann die Tür doch auf bekommt, ertönen im Auto irgendwelche Warnsignale. Spannend! Es ist wie in einem guten Comicfilm!!

Irgendwann geben wir auf, Gretel findet männliche Hilfe. Ein netter älterer Willow-Mitarbeiter erklärt uns das Prinzip dieser neuen amerikanischen Produktion und ist sehr gnädig mit uns, das heißt, er lacht uns nicht aus (wäre ja auch nicht besonders christlich, oder?)
Er erklärt uns die Besonderheit: Vor dem Anfahren erst die Bremse treten, dann an der Schaltung den "Startgang" einlegen. Okay, jetzt wissen wir es, und es klappt! Praise the Lord!

Um 15 Uhr verlassen wir das Gelände. Aber leider kommen wir an einer uns total unbekannten Stelle heraus. Jede Auto-Insassin hat eine Idee, wo es lang gehen könnte, doch leider nicht die gleiche. Und so kommt, was kommen musste: Wir verfahren uns gründlich. Trotz Lageplan. 
Wir müssen uns durchfragen. Doch da kein Ami zu Fuß geht, sind die Straßen menschenleer. Wir müssen also einen Autofahrer fragen. Doch wie? Die fahren doch alle. Gretel weiß Abhilfe. Als ein Auto aus einer Seitenstraße kommt und vorschriftsmäßig an der Kreuzung hält, weil wir Vorfahrt haben, stellt Gretel unseren Wagen ihm einfach vor die Nase, dass er uns nicht entkommen kann, steigt aus und efragt erfolgreich den Weg. Na, ist das kein Management?

Um 15.30 Uhr sind wir "zu Hause" am Hotel. Frischmachen, weiter geht`s. Die anderen sind natürlich längst weg. Wir müssen dann noch einige Male hin- und herfahren, bis klar ist, wo die Mall eigentlich ist.
Um 16.10 Uhr sind wir da. Und haben bis 18 Uhr Zeit zum Shoppen.
Nachdem Carola die halbe Kinderbekleidungsabteilung für ihre Enkelin aufgekauft hat, treffen wir wieder auf die anderen. Wir verabreden uns mit der Gruppe, um 19.30 Uhr irgendwo eine Kleinigkeit zu trinken. Ich habe aber jetzt Hunger. So holen einige von uns sich die letzten Stücke Pizza, dann werden hier die Bürgersteige hochgeklappt. Na gut, fahren wir.

Bis unsere Frauenpower, speziell unsere Starbesetzung es geschafft hat, alle vollautomatischen Türen zu öffnen und im Auto sitzt, sind die beiden anderen Autos schon wieder weg. Was soll`s. Wir finden den Weg auch alleine!!! Wir wissen jetzt ja Bescheid. Rechts, dann links - oder doch andersrum? 
5 Frauenmeinungen. Stimmen wir also ab. Die Mehrheit scheint recht zu haben. Wir landen tatsächlich irgendwie auf der Higginsroad. Na, da können wir uns ja ganz entspannt zurücklehnen. Jetzt geht es sowieso erstmal nur geradeaus. Wir erzählen und erzählen. Und Gretel fährt und fährt.
-  -  Und fährt. ----
Und plötzlich, nach einer sehr langen Fahrt: "Hört mal, sind wir auf dem Hinweg auch durch die Prärie gefahren?" WAS??? Gretels Frage löst einen Sturm der "Begeisterung" aus. Nein, sind wir nicht. Oder doch? Hurra, Odyssee die Zweite!! Wo sind wir? Und wo wollen wir hin? Keine Ahnung!

Im einzelnen die Diskussionen und Aktionen zu beschreiben, die zu einer Wegfindung geführt haben, ist mir zu mühsam. Darum kurz: Wir müssen umkehren. Und entdecken: Wir sind tatsächlich in der Prärie! Ein Monument am Wegesrand bestätigt es uns: "Prairie-Stone" steht da geschrieben.

Wir finden schließlich unsere Abfahrt, und wir finden unser Hotel. Na bitte, mehr wollen wir doch gar nicht. Wir haben uns nur ein bisschen verspätet. Aber zu unserer Beruhigung stellen wir fest, dass Alexandra mit "ihrem" Auto auch noch durch die Gegend fährt. Sie ist mit ihrer Besatzung auch noch nicht da.

Es wird dann doch noch ein schöner, gemütlicher Abend.
Geht´s uns nicht guuut?


Chicago im September 2001

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