Donnerstag, 8. November 2012

Orphans, Wodaabe und Hausprojekt




Habe eine wunderbare Nacht hinter mir, bin ausgeruht, und nun seit etwa einer Viertelstunde wach. Es ist kurz nach 7 Uhr. Daniel ist schon weg, geht heute mit Tanja und einer Militäreskorte in die „No – Go - Area“, um eine foodbank anzusehen.
Yakouba hat für uns ein eigenes Programm. Er möchte uns heute zu einer „Gebetsgruppe“ machen. Deshalb ist vorgesehen, dass wir heute an verschiedenen Orten, die er uns zeigen möchte, beten.

Es läuft ruhig an: Frühstück um 8.30 h. Danach wird auch nichts überhastet. Zunächst geht es zu einem Waisenhaus. Reiner hat für dieses Haus sowohl Geld (Schecks) wie auch einige Kindersachen zum Anziehen von einem Freund mitgebracht. Was wir vorfinden, ist dann im ersten Moment etwas enttäuschend. Die Kinder sind nicht mehr in diesem Haus. Wir können sie heute nicht mehr zu Gesicht bekommen. Die Ansprechpartnerin arbeitet hier nun für eine Firma, die Waisenkindersache macht sie „nebenbei“. Die Kinder seien nun in ihre Ursprungsfamilien gegeben worden und würden mit den Mitteln, die dem Waisenhaus zur Verfügung gestellt werden, weiterhin dort versorgt, z.B. medizinisch oder auch durch Geld für den Schulbesuch.  Vielleicht ist das sogar eine eher gute Nachricht. Aber es zeigt auch wieder, dass es immer gut ist, Institutionen, die man unterstützt, immer wieder auch zu besuchen und gegebenenfalls Geld auch persönlich zu überbringen...

Wieder besteigen wir den Pickup von Yakuoba, Jonas und Sebastian immer „hinten drauf“ mit fresh air... Yakouba zeigt uns nun ein Gelände, das er in einem Neubaugebiet für die Wodaabe gekauft hat, um sie dort etwas sesshaft zu machen. Sie würden dort ein von Mauern umgebenes Grundstück bekommen, vor dem Tor gibt es eine Pumpe und den dazugehörigen Brunnen; im Hof selber fehlt noch eine Latrine; ansonsten könnten sie sich dort so einrichten, wie sie möchten und gewohnt sind: unter freiem Himmel, mit einigen Zelt- oder Grasdächern gegen die Sonne. Zur Zeit wohnen hier nur der Wächter und seine kleine Familie. Er ist sehr freundlich und lädt uns ein, seine bescheidene Hütte  anzusehen. Denn das ist sie wirklich. Beschreiben lässt sich das nicht. Es sieht aus wie eine Anhäufung von Stroh, mit Tüchern und allem möglichen Material abgedichtet, innen stehen zwei Lager zum Schlafen, alles ist vollgehängt mit (schmutzigen?) Klamotten und vielen undefinierbaren Dingen, denn es ist dunkel in dem Kabuff – das ist alles. Gelebt wird draußen. Der Wachtmann selber ist 60 Jahre alt, seine Frau dreißig, wie er stolz sagt. Sie haben ein kleines Kind, das ich zunächst auf 9 Monate schätze, dann ihm höchstens 1 Jahr gebe und erfahren muss, dass das kleine Mädchen schon 2 Jahre alt ist. Es ist völlig unterentwickelt, sieht zurückgeblieben aus und kann noch nicht mal laufen bzw. sich eigenständig auf den Beinen halten. An seinen Mundwinkeln knabbern die Fliegen. Die junge Frau ist schon wieder schwanger, es kann nicht mehr lange dauern. Renate erzählt mir später, dass sie mental eingeschränkt ist...

Jetzt geht es zurück ins HIS - guesthouse. Renates Küche steht bereits unter Dampf – sie brät das Hackfleisch, das wir gleich zu Pitabrot und Salat essen wollen  - Mittagssnack.(„Iss noch was, Sebastian!“)
Wir genießen entspannt das Zusammen essen, den Smalltalk – und beschließen irgendwann, dass unser Programm um 15 Uhr weiter geht.

Yakouba fährt mit uns zum Niger bzw. zu einer Brücke, die er uns gern zeigen möchte. Diese Brücke haben die Chinesen relativ neu gebaut. Der Trip am Fluss entlang ist interessant und wunderbar geeignet für ein Fotoshooting. Kleingärtner haben hier ihren afrikanischen Schrebergarten angelegt. Die Flussnähe ermöglicht ein unkompliziertes Bewässern von empfindlichen Salatpflanzen, Kräutern, aber auch wunderschönen Blumen und Kakteen, die zum Verkauf angeboten werden. Alles wird akkurat in kleinen oder größeren Behältern präsentiert.

Immer wieder halten wir für ein paar hübsche Fotomotive.  Aber wir kommen auch an slumartigen Häusern und Siedlungen vorbei. Mittendrin die Müllberge, spielende Kinder, die nichts an haben, Frauen mit Babys auf dem Rücken, auf dem Kopf irgendwelche Lasten balancierend, überladene Fahrräder, Karren oder Lasttiere – das übliche Bild afrikanischer Länder und immer wieder Gegensatz zum deutschen Ordnungssinn und dem deutschen Schönheitsempfinden...

Nach einem Kurzstop am HIS-guesthouse geht es nun weiter zum Hausprojekt von Hosanna. Sie könnten hier ein eigenes Gebäude für die Büros, den Fuhrpark und die Radio-Television-Station kaufen statt wie bisher Miete für die einzelnen benötigten Gebäude zu bezahlen.
Wir besichtigen das Haus. Es ist vier Jahre alt, sagt der Besitzer, ein Unternehmer, der dieses Haus nicht mehr halten kann, weil seine Geschäftspläne schief gegangen sind und er nun verkaufen muss. 300.000 € will er umgerechnet dafür haben.
Das Gebäude ist beeindruckend groß, etwas vernachlässigt und unsauber, aber es ließe sich etwas daraus machen. Besonders ins Auge stechen die vielen großen Massivschreibtische mit den Chefsesseln dahinter, was einen exklusiven Eindruck macht. Auch andere Sitzmöbel und Tische sind vorhanden, alles kein Schund. Der Eigentümer würde alles mit dem Haus übergeben wollen...

Als Deutscher fragt man sich an dieser Stelle schnell, wo denn der Haken an diesem Projekt ist. Der Mann könnte weitaus mehr Geld dafür bekommen. Warum versucht er es nicht? Warum wartet er wochenlang auf die Entscheidung durch einen Pastor, der noch nicht weiß, woher er das Geld für so ein Projekt bekommen kann? Die Kredite in Niger sind durch extrem hohe Zinsen belastet. Yakouba hatte beim Mittagessen extra nochmal bei der Bank angerufen, wie hoch der derzeitige Zins für Hauskäufe seien. Das seien 14 %, wurde ihm gesagt!

Also indiskutabel?
Nachdenklich fahren wir zum guesthouse zurück. Die Männer wollen sich noch ein wenig die Beine vertreten und steuern zu diesem Zweck die amerikanische Botschaft als Fußmarsch an. Ich bleibe im Haus bei Renate und frage sie, wieso der Mann dieses Haus unbedingt an einen doch wahrscheinlich eher mittellosen Pastor verkaufen will. Ihre Antwort ist simpel: Wie fast alle Menschen hier ist der Verkäufer Moslems. Doch diese wissen untereinander, dass es mit ihresgleichen immer wieder Probleme gibt bei solchen Geschäften. Sie vertrauen lieber den Christen, die haben hier einen besseren Ruf und sind zuverlässiger in ihren Zusagen und Aussagen. Ein Pastor ist deshalb hier „die bessere Investition“... Aha?

Abendessen vorbereiten. Inzwischen wird per Telefon geklärt, warum Daniel und Tanja immer noch nicht von ihrem besonderen Trip zurück sind. Sie hatten drei Reifenpannen!  Von jetzt an werden sie noch 2 Stunden unterwegs sein, bevor sie zurück sind...

Und so ist es dann auch. Unser Abend klingt eher locker und ohne noch auf ein Ziel zuzusteuern(z.B. Feedback) aus. Kurz nach 22 Uhr verflüchtigt sich einer nach dem anderen in sein Zimmer.

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